Chaos Communication Congress '97
Hamburg, Eidelstedter Bürgerhaus, 27. - 29.12.1997
Chaos-Knoten

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Technik ist nicht alles...

Wie mache ich ein Netz?

Referent: Hartwig Thomas


Hinter der Frage: "Wie baue ich ein Netz auf?" steht weder eine kleine "Schraub-Aufgabe" noch das pure High-Tech-Wissen der Hard- und Software-Experten. Referent H. Thomas, der als Programmierer und Unternehmer kleine Firmen und große Banken berät, stellte den Entwicklungsprozess für ein Local-Area-Network (LAN) am Beispiel einer einfachen Aufgabenstellung dar.

"Wie entwickeln wir ein einfaches Konzept für eine PC-Händlerin, damit diese Netzwerke, möglichst ohne Probleme und Katastrophen (für sich UND den Kunden) entwerfen kann."

Als Symptome bestehender Netzwerkprobleme identifizierte Thomas ständig steigende Kosten für die Ressourcen des Netzwerkbetriebes, das Gefühl von Rat- und Wehrlosigkeit unter wenig informierten BenutzerInnen und den (oftmals aus bestehenden Zwängen heraus entstandenen) diktatorischen Habitus von SystembetreuerInnen. Ursachen hierfür liegen seiner Ansicht nach in der zunehmenden Verflechtung von Abhängigkeiten in Systemen, der Mikroökonomie der Ressourcenzuteilung und der entstehenden Zweiklassengesellschaft unter BenutzerInnen.

Als Therapie für die beschriebenen Probleme verschreibt Thomas mehr Transparenz im System, ein verbessertes Ressourcenmanagement und kluge, sprich verantwortliche Benutzer.

Zur Planung eines Netzwerkes genügt es danach nicht, ausschließlich Kunden, den Händler oder Programmierer zu Rate zu ziehen.

Vor technische Entscheidungen stellt Thomas einige grundsätzliche Überlegungen, die zunächst einmal klären, FÜR WEN das Netzwerk gebraucht wird und WOZU. Auch WAS das Netz leisten soll (und WAS NICHT) sollte vor weiteren erforderlichen, technischen Fragen stehen.

Zu diesen gehören die Art der Verkabelung, Netztopologie, verwendete Protokolle, die genaue Planung der Datenhaltung und die Definition bzw. Zuweisung von Verantwortungsbereichen.

Statt des "Lean Client", dem Rechner à la Diskless PC oder Java-Station, fordert Thomas den "fetten Client", der alle wichtigen Programme beherbergt und dem Netzwerk das überläßt, wofür es entwickelt wurde: die Kommunikation. Programme sollten nicht auf den Fileservern liegen und den Datenfluß im Netz durch dezentrale Ausführung bremsen. Vielmehr sollten nur wirklich gemeinsam genutzte Daten zentral liegen.

Für kleinere Netze empfiehlt Thomas die Sterntopologie mit gleichberechtigten Maschinen, größere Systeme sollten ähnlich in Gruppen organisiert werden, auch um einzelne Stränge unbeschadet warten zu können ohne daß zuviele User zum leerlaufen gezwungen werden.

Systeme müßten auch zulassen, daß beim teilweisem Ausfall möglichst viele Nutzer ungestört weiterarbeiten können.

Nicht nur dem Netzarchikekten und Betreuer, sondern auch den Nutzern eines Netzes müssen Nutzen und Struktur klar sein; außerdem fordert Thomas neben dem Recht auf freie Editor-/Browserwahl auch das Recht, sich dem Netzwerk zu verweigern.

Seine Forderung nach der "eigenen Maschine" (analog dem eigenen Schreibtisch mit abschließbarer Schublade im rechnerlosen "Alt-Büro") wurde von einigen Teilnehmern eher kritisch betrachtet, weil sie eine Umsetzung (gerade in großen Netzen) für zu aufwendig halten. Thomas verwies hier auf die Probleme, die entstehen, wenn "in stalinistischer Manier" upgedatet wird (i.e. ein Netz - eine Programmversion, unbeabsichtigt vom Produktionsprozess und Willen der Betroffenen).

Der mittelfristige, ökonomische Vorteil, der durch den selbstgewählten Zeitpunkt von Updates gegeben ist, entschädigt für die durch mehrere Versionen auftretenden Unübersichtlichkeiten. Auch zwingt das Vorhandensein mehrerer Versionen eines Programms die AnwenderInnen, sich mit der Vernetzung auseinanderzusetzen und das System besser zu verstehen. Die genaue Bedarfsplanung und Erstellung eines Pflichtenheftes sind für Entwurf von Netzen ebenso wichtig wie die Zielsetzung, größtmögliche Transparenz für alle BenutzerInnen zu gewährleisten.

In Folge ist jeder Benutzer für seine Maschine (Daten, Backups, Passwörter) selbst verantwortlich, auch die Aufgaben anderer Rechner sind eindeutig und transparent definiert.

Harte Zeiten für Netzgötter?

Alfons Deitermann

Ankündigung



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